Dienstag, 22. Februar 2011

Nador!





















Mit dem Zug kam ich an in Oujda. Nachdem ich 330 km durch Wüste,
Pampa, Niemandsland gefahren war, von Fés über Taza, Guercif,
Tourirt bis hier nach Oujda. Der Endstation Außengrenze des messbaren
Universums. Nur manchmal fährt der Zug noch weiter in den Süden,
tie in die Wüste hinein. Auch eine weitere Strecke nach Nador, am
Mittelmeer, ist geplant, doch die Umsetzung ist noch ungewiss.
Halb angefangen stehen die unfertigen Schienenteile, die Bauarbeiten
im Weg herum, die Regierung hat die Gelder vorerst gestrichen.

Doch die Fahrt von Fés nach Oujda ist atemberaubend, diese unendliche
Weite. Keine Menschen, keine Bäume, keine Straßen. Nur
Wüstentäler, Sand, Stein, Berge.. , ein großer See, zwischendurch
Ziegen, ein einsamer Strauch. Ein Mann in meinem Abteil meinte:"
Vu, c`est la maroccain desert. C`est rien."
Nichts, ein Landstrich ohne Bedeutung, voller Schönheit.

Manchmal, hält der Zug mitten in diesem Nichts, niemand weiß wieso,
niemand weiß wie lang, der Schaffner trinkt Tee, die Leute schauen
aus dem Fenster, stehen draußen und reden. Rauchen und palavern,
niemand fragt nach dem Grund für den Stopp, die Leute sind genügsam,
kennen keine Eile. Der Zug steht einfach nur so da, manchmal zehn
Minuten, manchmal eine halbe Stunde, bis es auf einmal rüttelt
und weitergeht.

Oujda liegt nahe der algerischen Grenze, doch seit diese 1994
geschlossen wurde, nachdem algerische Separatisten einen Anschlag
auf ein Hotel in Marrakesch verübten, ist hier wenig los. Oujda ist eine
ruhige Stadt, es gibt nicht viele Touristen die sich hierher, in den
äußersten Osten, verirren.
Ich lief in die Neustadt und kaufte mir ein Sandwisch.
Die Menschen in Oujda sind nett und zuvorkommend, nicht aufdringlich,
natürlich freundlich.
"Bleibe eine Nacht und geh dir morgen die Zitadellen anschauen."
"Oujda ist schön"
Meinte jemand zu mir.
"Aber ich muß nach Nador."
"Comme tu veux."
"Gibt es ein Taxi oder einen Bus nach Nador ?"
"Cherche le grand Taxi, die Station ist etwas außerhalb,
die Hauptstraße immer entlang nach Norden."
"Oujda est belle."
Die Spitzen der Zitadellen überragten mein Blickfeld, Oujda ist schön,
dieser Satz verfolgte mich wie ein Slogan.


Am Abend fand ich den Taxistand nach Nador. Es wurde bereits dunkel.
Es dauerte eine Stunde bis genügend Passagiere vor Ort waren.
Wir fuhren in die Nacht hinein, laute arabische Popmusik beschallte das
Innere das Fahrzeugs. An einer provisorischen Tankstelle, bestehend
aus einer Blechhütte und einigen Bezinkanistern, hielten wir und tankten.
Wir befanden uns irgendwo zwischen hier und dort. Auf der Straße im
Dunkeln, vertraten uns die Beine, dann ging es weiter.


Nador ist eine moderne Industrie- und Hafenstadt, nichts besonderes, ein
bisschen westernmäßig, vom Baustil her, der Art der Häuser und Straßen.
Gegen zehn kamen wir dort an, der Mann in dem Motel, in dem ich mich
für die Nacht einquartierte, sprach mich auf spanisch an.
Dachte wohl ich sei Spanier.
Ich erwiederte dass ich nicht viel spanisch spreche.
Er fragte erstaunt:"Ja was sprichst du denn dann,
bist du nicht Spanier."

Ich schlenderte noch ein wenig durch die Gegend, es war nicht viel los,
kaum ein Auto fuhr, die meisten Straßen waren dunkel. Hochgeklappte Bürgersteige, verschlossene Schaufenster, Ratten huschten über den Asphalt.
An einer Ecke sah ich plötzlich eine Bar, ein Fernseher stand draußen.
Es lief irgendein amerikanischer Spielfilm, den ich nicht kannte, Kinder und Jugendliche saßen davor und tranken Coke.
Campingstuhlreihen bahnten sich im Halbkreis um das Fernsehgerät.
Alle starrten wie hypnotisiert auf die Mattscheibe, verfolgten das Geschehen, fieberhaft, obwohl sie kein Wort verstanden.
Immer wenn der Held eine gute Tat vollbrachte, ging ein zustimmendes
Jubeln durch die Stuhlreihen und bei den Liebesszenen, ein Raunen bis
zum letzten Stuhl.

Ich ging hinein an die Bar und bestellte mir eine Limonade Hawai.
Auf einen freien Stuhl setzte ich mich dazu und schaute mir eine Weile
den Film an. Nador ist ein Nadelohr, ist ein Durchgangsort und Handelspunkt.
An der Autostraße nach Melilla, der spanischen Enklave, und der Lagune
Sabkhat Bou Arg.
In Nador wird Stahl produziert, eine Stadt auf Stahlträgern erbaut.
Der deutsch sprechende Bevölkerungsanteil ist ertaunlich hoch:
Grund dafür sind die ehemaligen Gastarbeiter, die sich mit dem ersparten
Geld, mit dem sie aus Deutschland zurückkehrten, an der Küste
anschauliche Häuser und eine solide Existenz aufbauten.
Touristische Highlights gibt es in Nador selbst nicht.

Melilla ist ein Grenzposten Spaniens und der EU. Täglich pilgern die
Menschen dorthin, zu der von Stacheldraht umsäumten Stadt,
und versuchen irgendwie auf die andere Seite zu gelangen.
"Allah Akbar," der Muezzin schrie, ich wachte auf. "Oh a k b a r,"
"Allah Akbar, mächtiger Gott, niemand ist größer als du und Muhammed ist
dein Prophet, Muhammed rasul."
Es regnet, mit einem Taxi fahre ich, nachdem wir uns mit dem Preis
geeinigt haben, in Richtung Melilla.
Im Radio verkündet eine Nachrichtensprecherin dass ein neues Gesetz
erlassen wurde, nachdem das Stimmrecht der Frauen im Parlament, in Zukunft gleichgwertet wird.
Es ist neblig, regnerisch und wolkenverhangen.
Wir fahren am Meer entlang, am Ausgang der Lagune von Sabkhat.

Melilla, die Menschen stehen in langen Schlangen vor dem Grenzwall.
Der Regen läßt nach, die Sonne blickt ein wenig durch. Vor verschiedenen
Grenzhäuschen stehen, dicht gedrängt, massig Menschen, reden und gestikulieren.
Langsam geht es weiter in den Reihen. Viele heben ihren Paß hoch empor,
schauen auf die Uhr oder sitzen stumm herum.
Die meisten die hier anstehen, haben zwei Päße oder ein Tagesvisa,
einmal Melilla und wieder zurück.
Ich gebe dem Mann vom Zoll meinen Paß, er blättert kurz und nickt.
Es regnet wieder.

Ich schulterte meinen Rucksack. Ein Grenzbeamter meinte:"Besser esperar, un Taxi."
"Porque, mucho Aqua," und deutete mit der Hand gen Himmel.
Eine Wand aus kaltem Nass versperrte mir die Sicht. Es schüttete wie aus Kübeln.
M e l i l l a.

(Text & Bild von ca. 2007)

Montag, 21. Februar 2011

Nomaden der Gestirne

Meine Eltern waren Nomaden
und meine Vorfahren
waren Flüchtlinge
die aus einem Land
jenseits der Grenze kamen

zur Zeit der großen Kriege
wurden sie vertrieben
mußten fliehen
Hab und Gut zurücklassen
und sich mit einem Bündel
von sieben Sachen
auf den Weg machen

meine Ur-Großmutter
erzählt noch oft
von der Flucht
und von dem Land
vom Balkan

während Sie am grünen Hoftor steht
und darauf wartet
dass die Wäsche trocknet

die Sterne strahlten hell
in der Nacht als wir aufbrachen
der Mond flammte am Himmel
und der Wind flüsterte
es ist Zeit

Sonntag, 20. Februar 2011

Salat des Lebens

Künftige Paare schlendern vorbei, Näherinnen gehen zwei und zwei
vorüber, junge Männer eilen zu irgendeinem Vergnügen,
von allem befreite Ruheständler rauchen auf ihrem
täglichen Spaziergang, vor der einen oder anderen Tür
stehen gedankenverloren und müßig die Ladenbesitzer.
Langsam nachtwandeln Rekruten- kräftige und schmächtige Burschen-
in bald lautstarken, bald mehr als lärmenden Gruppen.
Zuweilen erscheinen auch ganz normale Leute.
Automobile sind hier zu dieser Tageszeit selten,
klingen für mich wie Musik.
In meinem Herzen herrscht ein beklemmender Friede, und meine Ruhe
ist Resignation.
All dies geschieht, und nichts von alledem sagt mir etwas,
alles ist meinem Schicksal fremd und sogar dem Schicksal selbst-
Unbewußtheit, Flüche ohne Sinn und Verstand, als werfe der
Zufall Steine, Echos unbekannter Stimmen - kollektiver Salat des Lebens.

(Von Fernando Pessoa. Veröffentlicht in der Zeitschrift Solucao, 1929)

Dienstag, 15. Februar 2011

Pelikan Füller !



Ich bin im

Reimewahn

eifrig wie ein

Pelikan

auf dem

DIN A4Ozean.


Ja, ich und mein

Pelikan Füller

wir sind down

wie bekiffte

Grundschüler

Der Pelikan Füller.

manchmal ist Sprache überflüßig- aber nur manchmal

Ich schieße Schnapsschüsse im vorübergehn

während sich Sonnenlichtstrahlen

im Scharfwinkel spiegeln

und wir vergessen die Erinnerung..

nur so aus Zeitvertreib


räumen weg was nie da gewesen war

und räumen auf was nur in unserer

Vorstellung existiert

And maybe I 'm just a fool

to want you

to tell something


aber vielleicht bin ich auch nur

ein Narr mit einer seltsamen Maske

schieße Schnapsschüsse im vorübergehn

und fühle mich wohl wie ein

Pudelkönig in Fantasia

meine Einwegkamera bedeutet für mich

ein treuer Begleiter


und ich schicke dir sogar ein Polaraid

ja es hat mich wirklich

gefreut

mit dir eine Zeitspanne meines Lebens

zu teilen

es geht nicht um

was war gestern oder

was wird morgen sein

denn wann, wann wenn nicht heute

fängt mein Leben an

doch nichts ist vergeudet,

kein Gedanke, keine verpaßte Gelegenheit

sicher es gibt Momente da denkst du

hätte ich doch nur..

wie beim Drücken des Knopfes bei der

Straßenbahn

und du bist so knapp dran

aber die Tür geht trotzdem nicht auf

doch Sesam hin oder her

manches bleibt im Verborgenen

und unergründlich

früher wurden Geschichten

mündlich

weitergegeben

von Generation zu Generation


und ich schenke dir einen

Schnapsschuß

es ist ein Mitbringsel aus Transibiria

Maseltov

auf meinen Streifzügen verfogen mich

Streicheltiere

komm mir vor wie in einem Gespensterwald

einem Hinterhalt

und es ist finster kalt


Casper Hauser pfeift ein trauriges Lied

auf meinen sinnlosen Streifzügen

verfolgen mich immer

zwei Streifenhörnchen


doch ich bleibe kompromißlos,

maybe it doesn`t make a difference..

aber für mich schon.

Schieße Schnapsschüsse über Kimme und Korn,

während andere auf

Bärenjagd gehn.

I'm with you, not without.

Und ich bastel mir ein Boot

aus Butterbrotpapier

und es gleitet hinüber zu dir

auf Wortwellen,

den Schwingungen der Sprache

doch manchmal- ist Sprache überflüssig,

aber nur machmal.

Und vieles haben wir im Überfluß

und wissen nicht

zu was ist es eigentlich nützlich.

Wir alle schlagen Wellen,

ob bewußt oder un-

und wenn du etwas tust,

dann mach es richtig

und zwar mit Herz

denn das ist mir wichtig !

Mittwoch, 9. Februar 2011

Die Marktfrau!

Zwischen Markgrafenstraße, Litfaß und kleiner Kirche steht eine Marktfrau.
Sie steht dort mit ihrer Einkaufstasche, dem stolzen, würdevollen Blick
in Richtung Markt gerichtet.
Schon seit vielen Jahren steht sie dort wie ein Monolith.
Als wäre alles unbedeutend denn nur sie überdauert die Zeit.

Hellgrün leuchtendes Moos bildet sich am Ufersaum ihres Rockes.
Den Arm stolz nach oben gerichtet ruft sie:
"Ich werde einkaufen, auch wenn es Jahrhunderte dauert!"